Die Regenschirme des Anstoßes
Auch Zeitungsmacher müssen sich seit einiger Zeit mit der Glaubwürdigkeitskrise des Journalismus auseinandersetzen: Entsprechend gern greifen vor allem halbseriöse Presseerzeugnisse auf Themen zurück, die ihnen von vornherein den ungeteilten Beifall nahezu sämtlicher Leser garantieren: Regenschirme gehören dazu…
Zu diesen heißen Eisen sind unter anderem alle Spielarten des tatsächlichen oder vermeintlichen Behördenirrsinns zu zählen, der soeben noch unbescholtene Bürger nach Herzenslust gängelt und an die staatlich verordnete kurze Leine nimmt.
Einen derartigen „Skandal“ deckte jüngst in gewohnt investigativer Manier die als österreichisches Revolverblatt berüchtigte Kronenzeitung auf – und im vorliegenden Fall lernt der kopfschüttelnde kleine Mann von der Straße, dass bisweilen selbst ein Regenschirm seinen Besitzer ins Unrecht setzen kann.
Ausgangspunkt dieser Posse ist das offenbar ausufernde wilde Campen, welches schon sein einigen Jahren die gewohnte Ruhe in Kärnten stört. Um diesem drängenden Problem endlich Herr zu werden, greifen die Ordnungshüter mittlerweile gern ein bisschen gnadenloser durch.
Dies bekamen jüngst auch drei „Fischereiaufseher“ zu spüren, die zum Schutz vor dem Regen mehrere zugegebenermaßen auch besonders ausladende Stockschirme in den Boden rammten: Mit den Schirmen in gefühlter Zeltgröße war für die Behörden der schmale Grat zum unerlaubten Campen bereist überschritten. Den etwas verdutzten Herren wurde folgerichtig „wegen Zeltens in freier Landschaft außerhalb von behördlich bewilligten Campingplätzen“ ein Bußgeld über 600 Euro aufgebrummt – fortan greifen die Übeltäter bei schwieriger Witterung deshalb sicherlich bevorzugt auf deutlich unverdächtigere Taschenschirme zurück.
Flashmob der Regenschirme in Gera
Das ausdrückliche Wohlwollen der staatlichen Institutionen rief dagegen am vergangenen Wochenende eine Zusammenrottung hunderter Regenschirme hervor. Allerdings konnte sich der dafür ursächliche Flashmob im Osten Thüringens ohnehin auf die Kunstfreiheit berufen.
Im Rahmen der Internationalen Bauausstellung taten etliche Bewohner Geras mithilfe der Regenschirme ihren Unmut über eine seit mehr als 15 Jahren im Dornröschenschlaf befindliche Brachfläche im Herzen des rund 100.000 Einwohner zählenden Städtchens kund. Um auf die Entwicklungsbedürftigkeit der Brache aufmerksam zu machen, wurde von den knapp 800 Teilnehmern mit aufgespannten Regenschirmen unter anderem das Wort Gera geformt – eine Drohne hielt das Ergebnis dieser Bemühungen schließlich aus der Vogelperspektive fest.
Wie die Ostthüringer Zeitung berichtete, trug das verantwortliche Künstlerduo zuloark für die farbliche Harmonie Gewähr; 780 als Werbegeschenke verteilte Stockschirme und Taschenschirme stellten sicher, dass es bezüglich der Ästhetik keine anarchischen Verhältnisse zu beklagen gab. Die Schirme waren übrigens von den Initiatoren per Siebdruck mit dem Logo „Geras Neue Mitte“ veredelt worden.
Aufgrund der Witterung waren die Werbeartikel allerdings auch bei zufälligen Passanten äußerst begehrt. Da sich der Himmel pünktlich zum Beginn der Aktion verdunkelte, steuerte schließlich auch das Wetter einen thematisch passenden Rahmen zum Flashmob bei.