Regenschirme für Bildungsbürger
Beliebte Werbegeschenke mit 6-12 Keilen
Obwohl ein ausgedehnter Regentag bisweilen melancholisch macht, werden die schützenden Regenschirme nur äußerst selten zum Gegenstand von philosophischen Betrachtungen: Dass es sich aber durchaus aus ganz verschiedenen Gründen lohnen kann, sich mit dem geduldigen Helfer diesbezüglich auseinanderzusetzen, stellte in den vergangenen Tagen der Blick in die hiesigen Presseerzeugnisse unter Beweis. Angesichts der ungewöhnlichen Häufung an einschlägigen Artikeln könnte man fast meinen, dass der gemeine Bildungsbürger so allmählich seinen Frieden mit dem nicht mehr aufzuhaltenden Herbst 2015 zu machen beginnt.
Und wenn es schon um die lieben Bildungsbürger geht, ist natürlich die Frankfurter Allgemeine Zeitung nicht weit – wenngleich die Bezugnahme auf den Schirm hier einen verstörend kommerziellen Charakter trägt. So hat die FAZ knallhart recherchiert, dass mit kunstvollen Motiven bedruckte Regenschirme in den zunehmend zu kleinen Kaufhäusern ausufernden Museumsshops zu den beliebtesten Kaufobjekten gehören. Die etwas spöttische Überschrift deutet an, dass diese überraschende Popularität möglicherweise als ein Hinweis auf den bevorstehenden Untergang des Abendlandes zu verstehen ist: Auch die noch häufiger über den Ladentisch wandernden Magnete, Postkarten und Werbegeschenke können diesbezüglich kein gutes Zeichen sein.
Dass die FAZ dem Regenschirme hier Unrecht tut, kann ein Artikel in der Schweriner Volkszeitung erhellen: Wie ein Gastartikel des Projekts „Zeitung macht Schule“ berichtet, macht sich dieser stattdessen sogar um die Ausbildung der künftigen Rentenzahler verdient. So wurde der Schirmklassiker mit den acht Keilen von einer Güstrower Schulklasse dafür genutzt, sich im Bruchrechnen zu üben – und da der auf den Lehrplänen ansonsten zumeist schmerzlich vermisste Schirm schon einmal Thema war, kam darüber hinaus gleich auch dessen langer „Leidensweg“ vom Sonnenschirm bis zum Knirps zur Sprache.
Auf dem zugehörigen Beweisfoto haben die erstaunlicherweise nicht gerade elektrisiert dreinblickenden Schüler allerlei Stockschirme und Taschenschirme als Lehrmaterialien bei der Hand; lediglich auf die im Alltag eigentlich allgegenwärtigen Werbeschirme mit Firmenlogo wurde vermutlich aus pädagogischen Gründen ausnahmsweise verzichtet. Auch wenn der Zeitungsartikel darüber Stillschweigen bewahrt, wäre es den Sechstklässlern zu wünschen, dass zuvor bereits die Regenschirm-Lyrik kurz zur Sprache kam: Schließlich lässt sich anhand der Ausführungen des Schriftstellers Reinhard Kaiser erahnen, welch ungeheurer Schatz hier gehoben werden kann.
Zwar hat es die Interpretation eines zunächst eher harmlos anmutenden englischen Vierzeilers noch in kein eigentliches Presseerzeugnis geschafft; da diese Tatsache jedoch nur den Medien selbst zum Vorwurf zu machen ist, haben sich diese Überlegungen an dieser Stelle allemal eine Erwähnung verdient. Schließlich sind die Ausführungen schon allein für die Erkenntnis gut, dass ein simpler Kinderreim sogar für zwischenstaatliche Verstimmungen sorgen kann: Demnach wurde es von so manchem Spanier überhaupt nicht gern gesehen, dass man den Regen im in dieser Hinsicht wahrlich genug gestraften England mit den Versen Rain, rain go to spain/ And never come back again mit Vorliebe auf die Iberische Halbinsel wünschte.
Hauptsächlich wendet sich der Text jedoch einem gleichfalls aus Großbritannien stammenden Vierzeiler von Charles Bouwen zu, der dem Regen die sonderbare Macht verleiht, die Welt in Menschen und Unmenschen zu teilen: Dass der moralisch einwandfreie englische Bürger dem unablässig auf ihn einprasselnden Nass nämlich schutzlos ausgeliefert ist, sei demnach auf den diebischen Charakter der trocken durchs Leben wandelnden Zeitgenossen zurückzuführen. Für bisher stolze Inhaber eines Regenschirms dürfte es da tröstlich sein, dass ein solcher Unmensch nach der Vermutung von Kaiser ganz einfach nur praktisch denkt. Da jedoch jedem gelegentlich von Regenschauern überraschten Bildungsbürger unbedingt die Lektüre des vollständigen Artikels („Schirmestücke“) auf der Homepage des Verfassers empfohlen werden soll, sei an dieser Stelle nur noch das besprochene Poem zitiert:
The rain it raineth every day,
Upon the just and unjust fella.
But more upon the just, because
The Unjust has the just´s umbrella.