Stockschirme im Film – Dramen vorprogrammiert?

Als unverzichtbares Accessoire war dem Regenschirm in dem Musical-Klassiker „Singin‘ in the rain“ eine cineastische Weltkarriere vergönnt. Während die Titelmelodie jener US-amerikanischen Produktion aus dem Jahr 1952 noch immer bei fast jedem Regenschauer als Gute-Laune-Macher aus irgendeinem Radio dudelt, musste sich der treue Nässeschutz in so manchem anderen filmischen Werk mit deutlich freudloseren Rollen zufriedengeben. Schließlich greifen Regisseure mit Vorliebe auf die symbolische Kraft eines Stockschirms zurück: Wird in einem Kinostreifen erst einmal der Schirm aufgespannt, ist der Held – zumindest im übertragenen Sinne – meist ohnehin schon bis auf die Knochen durchnässt.

Die Regenschirme von Cherbourg

Weil dunkle Gewitterwolken besonders gut zu dramatischen und melancholischen Stoffen passen, werden Schirme oft genug von unglücklich Verliebten spazieren geführt. In der französisch-deutschen Co-Produktion „Die Regenschirme von Cherbourg“ (1964) hilft das schlechte Wetter allerdings nicht nur, den bittersüßen Schmerz einer unwiederbringlich verloren gegangenen Jugendliebe zu bebildern, als Inhaberin eines kleinen Schirmgeschäfts hat die Protagonistin Geneviève gewissermaßen schon von Berufswegen mit den Schattenseiten des Lebens zu tun. Prompt steht dem Glück der jungen Dame die Einberufung ihres Auserwählten zum Militärdienst im Weg – in der Folge kann nicht einmal eine gemeinsame Tochter verhindern, dass Geneviève den im Algerienkrieg kämpfenden Guy aus den Augen verliert.

Immerhin dürfen die beiden unglücklich Getrennten im weiteren Verlauf jedoch erfahren, dass die erste Liebe nicht zugleich auch die Letzte sein muss. So hängt die alleinerziehende Mutter nach der Hochzeit mit dem wohlhabenden Roland schon bald ihre Karriere als Verkäuferin und damit den Hang zum Schwermut an den Nagel, während der als Veteran zurückkehrende Guy mit der ihm von jeher zugetanen Madeleine glücklich wird. Da Regisseur Jacques Demy die Handlung des Films in das Gewand eines Musicals presst, schreitet die Liebesgeschichte nur mit einem äußerst gemäßigten Tempo voran: So werden alle Gedankengänge und Dialoge mit einem aus heutiger Sicht etwas befremdlichen Sprechgesang („Rezitativ“) zum Vortrag gebracht.

Ein Regenschirm für Verliebte

Ein Blick in die ohnehin seit jeher schwermütige russische Seele wird Filmfreunden dagegen in dem Streifen „Ein Regenschirm für Verliebte“ von Rodion Nachapetow aus dem Jahr 1986 gestattet, in dem das in einer problematischen Beziehung steckende Pärchen Soja und Tolga auf die sich offensichtlich innig liebenden Kraskow und Vera trifft. Die vermeintliche Harmonie zwischen Kraskow und Vera stellt sich allerdings schon bald als trügerisch heraus: Auf ihn warten im trauten Heim seine Frau und drei Kinder, während sich die Geliebte wohl oder übel mit der Rolle des unglücklichen fünften Rads am Wagen begnügen muss.

Der in den Auslagen eines Brautladen entdeckte „Regenschirm für Verliebte“ kann dem in der Sackgasse gelandeten Pärchen aber wenigstens die tröstliche Botschaft vermitteln, dass es auch für missliche Lebenslagen originelle Lösungen gibt: Schließlich dürfte das Hochzeitsutensil mit einem Griff und zwei ineinander verschmolzenen Schirmen schon so mancher Braut mit kunstvoll gestalteter Frisur den im besten Falle schönsten Tag des Lebens gerettet haben. Im entsprechenden Drama ist ein solches Glück jedoch freilich nur Soja und Tolga vergönnt, derweil sich Kraskow auch noch beim Einsetzen des Abspanns in amouröser Hinsicht zwischen Baum und Borke befindet.

PIXAR führt Stockschirme ins Glück

Dass Stockschirme – Taschenschirme kommen in Filmen so gut wie nie vor – aber keineswegs nur als schmückendes Beiwerk für sentimentale Werke zu gebrauchen sind, weiß der französische Regisseur Gérard Oury in „Der Regenschirmmörder“ (1980) zu berichten: Obwohl sich eben jener robuste Stockschirm in der Verwechslungskomödie eine Verwendung als Tatwaffe gefallen lassen muss, stellt der Film doch zugleich das häufig zu kurz kommende humoristische Potential des unfreiwilligen Gehilfen unter Beweis. Die teils absurde Handlung scheint schließlich unmittelbar den Meisterwerken des unvergessenen Louis de Funès entsprungen zu sein, der sich jedoch bekanntlich weniger für Werbeschirme denn für Kohlköpfe begeistern konnte.

Mit dem im Jahr 2013 veröffentlichten Kurzfilm „Der blaue Regenschirm“ macht zudem die Animationsschmiede PIXAR schon die jüngsten Filmfans mit dem Seelenleben des namensgebenden Schirms vertraut: In dem sechsminütigen Streifen von Regisseur Sascha Unseld, der als Vorfilm des Blockbusters „Monster Uni“ über die Leinwände flimmerte, ist der blaue Protagonist allerdings ganz genretypisch wieder einmal mit einer zunächst unerfüllten Liebe beschäftigt. Weil die Welt aber zumindest in den Kinderfilmen noch in bester Ordnung ist, werden die Zuschauer bis zum Happy End nicht lange auf die Folter gespannt – selbst in seinen unglücklichsten Momenten hat sich der verliebte Schirm jedoch unzweifelhaft das Prädikat „besonders niedlich“ verdient.

Screenshot Pixar Film über einen verliebten Regenschirm

The Blue Umbrella – Der verliebte Stockschirm