Schnupfen ist männlich, Regenschirme nicht?

Die Mär vom unmännlichen Schirm

Wer es sich bei einem Spaziergang durch den Regen unter dem eigenen Schirm gemütlich macht, muss bisweilen den Eindruck gewinnen, dass sich viele Zeitgenossen mittlerweile selbst den flüchtigen Blick auf den Wetterbericht gern einmal ersparen. Allerdings trifft es nicht die ganze Wahrheit, dass die wahlweise mürrisch bis hektisch vorübereilenden Passanten einfach nur ungenügend vorbereitet sind: Schließlich ist das Sich-bis-auf die-Haut-durchnässen-lassen zumindest in Einzelfällen als ein bewusstes persönliches Statement zu verstehen.

Eine kurze Feldstudie wird dabei mit ziemlich großer Wahrscheinlichkeit zu dem Ergebnis führen,

dass sich insbesondere junge Männer dem strengen Diktat des Regenschirms verweigern: Namentlich Teenager und Berufsjugendliche halten diesem nämlich nicht nur sein vermeintlich unmodernes Wesen, sondern auch einen allgemein unmännlichen Charakter vor. Aus diesem Blickwinkel müssen Begriffe wie „Regenschirmträger“ oder Gentleman schon beinahe wie ein Synonym für den vielzitierten „Warmduscher“ erscheinen – und so sorgt es dann auch für einigen Argwohn, wenn ein Altersgenosse während eines heftigen Schauers mit trockenem Haar zu einer Verabredung erscheint.

Indianer fürchten keine Regenschirme

Sich ohne störenden Schutz den hierzulande ja ohnehin nur gemäßigt auftretenden Naturgewalten auszusetzen, ist also möglicherweise eine der wenigen verbliebenen Möglichkeiten, sich in einer zunehmend an Gefahren mangelnden Welt als ein moderner Krieger zu inszenieren: Das vor Nässe triefen scheint somit einem Selbstverständnis von abgehärteter Männlichkeit und Freiheit zu entsprechen, welches dann allerdings bei dem daraus nicht selten resultierenden „Männerschnupfen“ oftmals schon nicht mehr ganz so überzeugend aufrechterhalten werden kann.

Andere Hobby-Soziologen führen die Vorbehalte gegen den Regenschirm dagegen auf den vielen Männern ohnehin gern angedichteten Hang zur pragmatischen Faulheit zurück. Während Frauen als erfahrene Nutzerinnen von Handtaschen von jeher daran gewöhnt sind, bei ihren Spaziergängen etwas in der Hand zu halten, wird selbst ein kleiner Taschenschirm mit Kapselheber von den Herren der Schöpfung deutlich eher als ein störender Ballast angesehen. Obwohl diese Theorie auf den ersten Blick zugegebenermaßen ein bisschen steil erscheint, könnte sie der Wahrheit bei näherer Betrachtung doch unvermutet nahe kommen.

Bottlebrella - einer dieser Regenschirme mit Kapselheber

Regenschirme sind unmännlich?

 

Ein Schirm schützt nicht nur vor Nässe …

Wie so oft, scheint schließlich auch die Wurzel dieses kleinen Unterschieds zwischen Mann und Frau auf die geschlechtsspezifische Erziehung zurückzuführen sein: Wird angeblich schon kleinen Mädchen anerzogen, dass ein schicker Regenschirm als modisches Accessoire das gewählte Outfit erst komplettiert, käme es vielen Jungen gar nicht in den Sinn, sich von einem Schirm vom Rennen, Toben und in die Pfützen springen abhalten zu lassen. Selbst der coolste Regenschirm mit Werbedruck diverser Superhelden oder gar einem LED Leuchtkopf mit muss bei solchen Verlockungen fürchten, bei nächstbester Gelegenheit achtlos vergessen zu werden; Irgendwann gibt es dann allerdings auch die besorgteste Mutter auf, die regelmäßig verloren gegangenen Schirme durch einen weiteren Neukauf zu ersetzen.

Die Überzeugung, dass Regenschirme im Zweifelsfall verzichtbar sind, wird bei etwas größeren Jungs zumeist aber schon in jener Zeit erstmals erschüttert, in der sich die Begeisterung für das schönere Geschlecht Bahn zu brechen beginnt. Immerhin ist es ein offenes Geheimnis, dass junge Mädchen gern einmal ausgerechnet dann den eigenen Schirm „vergessen“ haben, wenn der gerade favorisierte Schwarm – z.B. mit einem Fare Windfighter – bestens vorbereitet auf der Bildfläche erscheint. Rührende Geschichten davon, wie ein simpler Regenschirm der Liebe den Weg bereitet, wissen nämlich beileibe nicht nur die Großeltern zu berichten – schließlich kommt der strahlende Retter in der Not schon längst nicht mehr auf einem weißen Schimmel daher geritten.