Zweite Chance für ausrangierte Regenschirme

»Gegenwind« schenkt Regenschirmen neues Leben

Eigentlich ist es ja zu kritisieren, dass in der Wahrnehmung mancher Menschen mittlerweile selbst mechanisch überaus komplexe Regenschirme zu Wegwerfartikeln verkommen sind. Da Sparfüchse mit Vorliebe zu wenige Euro in die billigst in Fernost zusammengeschusterten Modelle investieren, macht sich meist schon nach dem ersten etwas heftigeren Herbststurm die nächste Neuanschaffung erforderlich. Längst gehört es deshalb an Regentagen zum gewohnten Bild, dass die Mülltonnen an belebten Straßen vor weggeworfenen Taschenschirmen und Stockschirmen nur so überquellen: Um diesem Übel abzuhelfen, mahnte die Designerin Lea Brumsack bereits vor ein paar Jahren eine Zweitverwertung der windzerzausten Exemplare an – und konnte mit dem Projekt „Gegenwind“ selbst die Jury des RecyclingDesignpreis von ihrer Idee überzeugen.

Weil sich bei frühzeitig zu Bruch gehenden Regenschirmen in aller Regel nur das hoffnungslos verbogene Gestell als eine Fehlkonstruktion erweist, möchte die mittlerweile in Berlin-Kreuzburg ansässige Brumsack wenigstens dem unversehrt gebliebenen Bezugstoff zu einer Anschlussverwendung verhelfen. Dieser besteht meist aus Nylon und lässt sich immerhin mit geringem Aufwand von den Speichen trennen und mithilfe einiger Nadelstiche in eine Art Poncho transformieren. Dabei versteht es sich von selbst, dass der ohnehin regenabweisende Stoff für seine neue Aufgabe bestens geeignet ist; versierte Individualisten begeistern sich zudem natürlich dafür, dass die händische Umarbeitung der einstmals genormten Schirme zu lauter unverwechselbaren Einzelstücken führt und freuen sich wegen der zusätzlichen Aufdrucke und Claims besonders über ausrangierte Werbeschirme.

Auch beim Recycling wird auf den Preis geschaut

Nun steht es freilich außer Frage, dass der Entwurf von Brumsack nicht den klassischen Ansprüchen aller Regenschirm-Benutzer genügen kann: Der per Recycling entstandene Körperschutz dürfte sich stattdessen wohl vor allem in jenen Momenten – etwa auf einem Musikfestival oder Open Air Konzert – einer gesteigerten Beliebtheit erfreuen, in denen das Mitführen eines richtigen Schirms nur als wenig praktikabel erscheint. Die Jury des RecyclingDesignpreis zeigte sich zudem aber auch noch von ein paar weiteren „Highlights“ angetan; so wurde bei der Prämierung von „Gegenwind“ neben dem hohen Gebrauchswert unter anderem die Tatsache gewürdigt, dass der Poncho beispielsweise in Behindertenwerkstätten kostengünstig gefertigt werden kann.

Abgesehen von einem ansprechenden Design und der Umweltverträglichkeit wird beim RecyclingDesignpreis somit von Beginn an das Hauptaugenmerk auf die theoretische Realisierbarkeit der eingereichten Entwürfe gelegt: Die lebensverlängernden Maßnahmen für kaputte Stockschirme wurden dabei gleich bei der ersten Ausgabe des Wettbewerbs im Jahr 2007 als besonders gelungenes Beispiel mit dem mit 2.500 Euro dotierten Hauptpreis prämiert. Während sich der weiterhin jährlich vergebene Designpreis in der Folgezeit zunehmend etablierte, hat im Übrigen auch die Premieren-Siegerin ihren Weg gemacht: Ist Brumsack mit ihren Arbeiten auch in der Folge dem Thema Recycling treu geblieben, wurde der inzwischen 33-Jährigen bald darauf zudem durch die Initiierung der Initiative „Culinary Misfits“ größere mediale Aufmerksamkeit zu teil.