Imageschäden durch Regenschirme

Dienstleistungsgesellschaft 2.0: Träger meines Regenschirms

Wie „Mann“ es auch macht, macht man es schnell einmal verkehrt: Hatte US-Präsident Barack Obama vor wenigen Tagen mit erstaunlichen Anfeindungen zu kämpfen, weil er in galanter Weise zwei Mitarbeiterinnen unter einem schützenden Regenschirm zur Pforte seines Amtssitzes führte, sah sich der Präsident vor knapp zwei Jahren schon einmal in einem „Umbrellagate“ dem Kreuzfeuer republikanischer Kritik ausgesetzt. Bei einem Staatsbesuch von Recep Tayyip Erdogan wurden der Präsident der Vereinigten Staaten und der damalige türkische Ministerpräsident im malerischen Rosengarten des Weißen Hauses von einem Unwetter überrascht – und um die soeben begonnene Pressekonferenz trockenen Hauptes fortsetzen zu können, rief Obama in jener Situation kurzerhand zwei Marines herbei.

Regenschirm über Obama gehalten von einem Marine

US-Präsident Obama wird von einem Marine mit einem Stockschirm geschützt

In der Folge gingen Bilder von den beiden Politikern um die Welt, über die jeweils ein herbeigeeilter Marine formvollendet einen schützenden Regenschirm hält. Es fehlte nur noch die Werbeanbringung „Wir lassen Sie nicht im Regen stehen…“.Wendeten sich die ausländischen Berichterstatter des Treffens jedoch vor allem der kontrovers diskutierten Lage in Syrien zu, kam die „Zweckentfremdung“ der heimischen Streitkräfte für so manchen nationalen Traditionalisten einer kleinen Majestätsbeleidigung gleich. Sarah Palin, ehemalige Gouverneurin von Alaska, selbst jederzeit für eine Blamage gut, meldete sich zu Wort: „Mr. President, when it rains it pours, but most Americans hold their own umbrellas“. Schließlich ist es männlichen Marines streng untersagt, während des Einsatzes fürs Vaterland nach einem Schirm zu greifen: Fotos von unbeeindruckt im Regen stehenden Wachtposten vor dem Weißen Haus haben bei Touristen folglich schon immer zu den favorisierten Motiven gehört.

Freihändig beschirmt

Ganz sachlich betrachtet dürfte es aber wohl ohnehin in erster Linie der dem türkischen Besucher entgegengebrachten Gastfreundschaft geschuldet gewesen sein, dass Obama überhaupt die Marines zu Hilfe rief: Nur wenige Monate zuvor hatte er sich schließlich noch während des Orkans Sandy auf ikonisch gewordenen Fotos durch den bewussten Verzicht auf einen Stockschirm als Mann der Tat zu inszenieren versucht. Paradoxerweise hat der Präsident allerdings nicht mit seinem vormaligen markanten Auftritt, sondern mit seiner verregneten Pressekonferenz im Rosengarten einen unfreiwilligen Trend gesetzt – und möglicherweise ganz nebenbei einen neuen Berufszweig aus der Taufe gehoben.

An den „Regenschirmträgern“ hat mit Maria Carey nämlich eine divenhafte Erscheinung Gefallen gefunden, die schon von jeher neue Maßstäbe in Sachen Bequemlichkeit setzt: Da die Sängerin bereits seit längerem einen Angestellten ausschließlich mit der Aufgabe betraut, ihr – zum Schutz des Lippenstifts – mit einem Strohhalm versehene Getränke zu reichen, zeigte sich Carey natürlich auch von dem menschlichen Witterungsschutz überaus angetan.

Berichterstattung über den Regenschirm-Träger von Carey

Berichterstattung über Carey und ihren PUH(personal umbrella holder) auf news.com.au

Folglich hatte die 45-Jährige vor wenigen Tagen bei einem Abstecher nach Disney Land in ihrer Gefolgschaft unter anderem eine Assistentin dabei, die sie während ihres Spaziergangs mit einem gewaltigen Portierschirm ausschließlich vor der Sonne, den anderen Besuchern oder was auch immer schützte: Lediglich den Karussellfahrten mit ihren kleinen Zwillingen setzte sich die Primadonna wagemutig ohne fremde Unterstützung aus.

Carey wird mit einem Regenschirm vor der Sonne geschützt

Mariah Carey lässt eigentlich immer ihre Regenschirme tragen, hier eine Aufnahme aus 2006

Carey ist in prominenter Gesellschaft

Nun kann man freilich berechtigt den Kopf über die neue Marotte und die schlechte Erziehung der Sängerin schütteln; allerdings geriete dabei völlig aus dem Blick, dass das Halten beziehungsweise Tragen toller Regenschirme offenbar längst zum klassischen Aufgabenfeld eines willenlosen Promi-Assistenten in Hollywood gehört. Wer anlässlich eines Arztbesuchs in den einschlägigen bunten Magazinen blättert, bekam in den vergangenen Monaten etliche beflissene und Fremdscham verursachende Regenschirmträger zu Gesicht. So wusste neben Stars und Sternchen wie Julia Roberts, Kylie Minogue, Eva Mendes oder Bella Thorne unter anderem auch Heidi Klum dieses ganz besonderen Service augenscheinlich zu schätzen. Eine amerikanische Website hat unlängst für den „personal umbrella holder“ das Kürzel PUH(sic!) in den Sprachgebrauch eingeführt.

Somit findet sich Barack Obama im Nachhinein unfreiwillig in einer Gesellschaft wieder, in die er – wie wohl selbst Kritiker einräumen müssen – beim besten Willen nicht zu passen scheint: Nachdem sich die weibliche High Society mittlerweile regelmäßig und bedenkenlos mit einem Schirm-Butler und teil grauenhaften Werbeschirmen ablichten lässt, wird es sich der US-Präsident künftig gewiss zwei Mal überlegen, ob eine Pressekonferenz bei einem plötzlichen Regenschauer nicht doch lieber flugs in das Innere des Weißen Hauses verlegt. Hatten Obama und Erdogan vor zwei Jahren neben den Marines noch einen angemessen staatsmännischen Eindruck hinterlassen, wären Beobachter in einem Wiederholungsfall wohl schnell geneigt, verstohlenen Blickes nach dem goldenen Handtäschchen zu suchen. Die Queen allerdings trägt ihre – oft perfekt zum Kostüm passenden – Regenschirme meist mit eigener Hand und macht damit Werbung für den gesunden Menschenverstand.