Regenschirm des nackten Mannes

Während sich die politischen und gesellschaftlichen Debatten bereits in den ersten Januar-Wochen in gewohnter Weise überschlagen, fängt das noch immer taufrisch wirkende Jahr zumindest aus unserer engen Regenschirm Perspektive geruhsam an: Wird durch den tagtäglichen Zeitungswald geblättert, geben die thematisch passenden Geschichten allenfalls ganz kleine menschliche Dramen bekannt. Aus dramaturgischer Sicht lässt uns die Ausbeute der vergangenen Tage dennoch nicht enttäuscht zurück – für einen Hauch von Sex & Crime sind schließlich auch nicht digitale Regenschirme gut.
Der zugegebenermaßen lediglich kleinkriminelle Part wurde dabei kurz nach dem Jahreswechsel im zuvor als beschaulich bekannten Bad Griesbach verortet: Wie die Passauer Neue Presse berichtete, gingen ausgerechnet in jenem Kurort zwei schicksalhaft zusammengeführten Passanten gemeinschaftlich die Gäule durch. Nachdem ein Streit um einen nicht angeleinten Hund in unvorhersehbarer Weise eskalierte, schlugen die 44-jährige Hundeführerin und ihr 76-jähriges Pendant mit diversen Gegenständen aufeinander ein – neben einem Handy fand dabei unter anderem auch ein Regenschirm Verwendung.

Juristen und Regenschirme

Nun ist zwar nicht anzunehmen, dass sich das Justizportal advopedia.de ausgerechnet aufgrund des eben beschriebenen Falls dazu veranlasst sah, sich mit den Grenzen der zulässigen Selbstverteidigung auseinanderzusetzen – dennoch sind die nach den Ereignissen der Silvesternacht in Köln hier zusammengetragenen Informationen fraglos auch für die beiden niederbayerischen Duellanten interessant. Zumindest der leider nicht näher definierte Besitzer des Schirms hat demnach nämlich sogar im gesetzlich akzeptierten Rahmen agiert: Immerhin werden Regenschirme von den kundigen Juristen zu den „Geheimwaffen“ in Sachen Selbstschutz gezählt.

Da der offizielle Gesetzestext als Notwehr stets nur das jeweils mildeste zur Verfügung stehende Mittel anerkennt, kommen die sich momentan steigender Beliebtheit erfreuenden Pfeffersprays in aller Regel gar nicht für die Selbstverteidigung in Frage. Juristisch gedeckt ist hingegen etwa der beherzte Griff zu Schlüsselbunden und Regenschirmen, wenn dies situationsbedingt tatsächlich geboten erscheint. All jene, die sowohl Taschenschirme als auch Stockschirme mit sich führen, müssen im Zweifelsfall also differenzieren – und schlagen Angreifer fortan besser nur noch mit dem Knirps in die Flucht.
Nach dem nur bedingt ernst gemeinten Ausflug in die Welt der Paragraphen kühlen nun ausgerechnet die eingangs vage angekündigten nackten Tatsachen wieder die Gemüter ab: Schließlich hat es in diesem Fall so überhaupt gar kein Geschmäckle, dass sich ein Mann im Adamskostüm mittlerweile als kultureller Mittelpunkt eines ganzen Hamburger Stadtteils erweist. Wie das Hamburger Wochenblatt fast schon minutiös berichtet, hat die vom Bildhauer Fritz Fleer geschaffene Bronzestatue „Der große Schreitende“(nicht zu verwechseln mit der ebenfalls lebensgroßen Plastik von Alberto Giacometti „Der schreitende Mann I“) im Alltag der Langenhorner Bevölkerung bereits seit 1958 ihren festen Platz – und natürlich auch eine eigene Facebook-Seite.

Während die etwas ältere Jugend im Schatten des Kunstwerks entspannt, werden demnach kurioserweise ausgerechnet die hier offenbar besonders populären Schnitzeljagden von Kindergruppen mit Vorliebe beim „nackten Mann“ beendet. Darüber hinaus sind längst auch urbane Gärtner dem Charme des Schreitenden verfallen und versteckten dessen sensibelsten Stellen sukzessive unter einer Blütenpracht. Um das Denkmal-Wohl besorgte Bürger stehen zudem dafür gerade, dass es dem möglicherweise prominentesten Langenhorner selbst bei dem klassischen Hamburger Schietwetter an nichts fehlt – weshalb die Statue an grauen Tagen regelmäßig verschiedenste Regenschirme mit Werbung in die Hand gedrückt bekommt.